Unser Gehirn in Zeiten von Smartphone und Co.

Wie Bildschirme unser Leben negativ beeinflussen

In den Jahren meiner Praxistätigkeit seit 1996 konnte ich beobachten, wie bei Kindern, Jugendlichen aber auch Erwachsenen bestimmte Probleme immer mehr auftraten. Hierzu gehören Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Lernschwächen, innere Unruhe bis hin zu hyperaktivem Verhalten, sowie Defizite im sprachlichen Ausdruck und depressive Verstimmungen. Ein Grund unter anderen: Unser Gehirn leidet an unterschiedlichen Belastungen durch Smartphone und Co. Lies hier mehr und auch, was Du für Dich tun kannst.

Bildschirme sind schädlich

Dass unser Gehirn leidet, können wir erkennen an

  • der menschlichen Interaktion
  • der Sprache
  • der Konzentration
  • verschiedenen Lernproblemen
  • und unserem Sozialverhalten.

Sicher, die digitale Welt hat eine ganze Menge positive Aspekte. In den letzten zwei Jahren wurden 90% aller weltweit verfügbaren Informationen produziert. Das eröffnet fast unendliche Möglichkeitsräume. Aber die extensive Bildschirmnutzung hat auch viele negative Auswirkungen.  Sie bedeutet gleichzeitig, dass wir von Informationen regelrecht überschwemmt werden. Dass unser Gehirn leidet kann an Kindern wie Erwachsenen beobachtet werden.

Unser Gehirn leidet unter zu viel digitaler Unterhaltung

Dabei wirken sich die digitalen Unterhaltungsmöglichkeiten besonders negativ aus. Denn unsere primäre Bildschirmnutzung ist nichts anderes als Fernsehen in allen Variationen:

  • Videos
  • Netflix
  • Serien
  • gefolgt von Videospielen
  • und die sozialen Medien.

Und auch das haben Studien gezeigt: die Bildschirmnutzung liegt bei uns mittlerweile bei

2jährigen bei bis zu 3 Stunden pro Tag
7-8jährigen bei bis zu 5 Stunden pro Tag
Jugendlichen bei bis zu 7 Stunden pro Tag.

Bei Jugendlichen aus sozial benachteiligten Milieus liegt die Nutzungsdauer sogar um 2 Stunden höher. Dies stellt ein politisches wie auch soziales Problem dar. Aber  Studien zeigen auch, dass sich die Bessergestellten nicht zu früh freuen sollten. Die Bildschirmzeiten haben auch in diesen Milieus gravierende Folgen. Denn diese Zeiten ersetzen andere Aktivitäten, die sehr viel bereichernder gewesen wären für unser Gehirn.

Der Schaden macht sich zwar nicht so schnell bemerkbar, ist wahrscheinlich aber noch schlimmer. Das bedeutet, dass jede Stunde Bildschirmaktivität ins Gewicht fällt. Das ist in etwa wie beim Rauchen. Eine gewisse Zeit kann man das Ganze noch herunterspielen, aber nach einer längeren Zeit sind die Auswirkungen unübersehbar.

Es gibt längst eine große Bewegung von Wissenschaftlerinnen, Eltern, und Pädagogen die erkannt haben, dass die Kinder kaum still sitzen können, schlechter lernen und unter Sprachstörungen leiden. Die Wissenschaft hat dabei festgestellt, dass die Kausalkette von der Bildschirmwelt zur Ablenkung führt und nicht umgekehrt, da sie Welt einem keine Ruhe lässt. Und es wird sogar damit geworben, dass Videospiele der visuellen Aufmerksamkeit dienen. Dabei soll sich die Aufmerksamkeit allerdings auf alles gleichzeitig richten. Und man muss sehr schnell reagieren.

Konzentration ist das Gegenteil hiervon. Bei ihr geht es darum, ausblenden zu können. Aufmerksamkeit und Konzentration widersprechen sich also mitunter.

Was unser Gehirn braucht

Unser Gehirn benötigt bestimmte Dinge, um sich richtig entwickeln zu können:

  • den Austausch mit anderen
  • viel Schlaf
  • eine gute Ernährung
  • körperliche Aktivitäten
  • aber keine Reizüberflutung.

Es ist hinlänglich bekannt, dass ein enger Zusammenhang zwischen Bildschirmnutzung, Multi-Tasking und Konzentrationsstörungen besteht. Das gilt für das Fernsehen, für Videospiele wie für andere Bildschirmnutzung.

Das Problem der Reizüberflutung wurde bereits in den 60er Jahren in den USA beschrieben. Man stellte damals fest, dass es in Kinderkrippen vermehrt zu Überreizung der Kinder kam, z.B. durch unendlichen Lärm. Wurde die Ursache abgestellt, verbesserte sich die Lage wieder.

Auch Studien an Tieren haben das gleiche gezeigt, obwohl sie in vielen Belangen anders sind als der Mensch. Aber ihr Gehirn entwickelt sich ähnlich. Bombardiert man Tiere mit Sinneseindrücken, kommt es zur Reizüberflutung. Aus dieser folgen wissenschaftlich belegte Aufmerksamkeitsdefizite, Gedächtnisprobleme, Lernstörungen, aber auch impulsiveres Verhalten. Dies konnte bei Tieren wie bei Menschen kausal nachgewiesen werden.

Unser Gehirn nimmt Schaden

Durch die digitale Welt wird unser Gehirn also durch zweierlei Effekte in Mitleidenschaft gezogen:

  • durch ein Bombardement der Sinne = Reizüberflutung
  • durch die viele verlorene Zeit, die man mit anderen Tätigkeiten verbringen könnte, die sich strukturierend auf unser Gehirn und die Konzentration auswirken.

Algorithmen sammeln unsere Spuren, die wir im Netz hinterlassen. Einige dieser Algorithmen sind sehr invasiv. Und genau das ist das Problem. Sie verstärken unsere Begierden und Wünsche. Und das doch nur, um uns etwas zu verkaufen. Etwas, das wir scheinbar unbedingt haben wollen. Die Unternehmen schlagen aus der geistigen Verfügbarkeit Kapital.

Allerdings haben Algorithmen dabei geradezu perverse Effekte. Sie errichten aus den Spuren, die wir digital hinterlassen haben, so etwas wie ein Gefängnis. Wir bestätigen mit unseren Spuren nur die eigenen Erwartungen. Das gilt auf wirtschaftlichem Gebiet genauso wie für Fernsehserien. Die Algorithmen machen uns Vorschläge auf der Basis digitaler Spuren. Damit wird unsere Zukunft in den Denkmustern unserer Vergangenheit eingesperrt.

Unser Gehirn arbeitet mit dem Prinzip der Verknüpfung

Leider ist unser Gehirn leicht auszutricksen. Zeigt man ihm Dinge in einem zeitlichen Zusammenhang, bildet es Verbindungen und aus ihnen eine Art Spinnennetz. Wenn ich „Maler“ sage, dann erkennt es ein assoziiertes Wort wie „Bild“ oder „Farbe“ viel schneller als ein Wort wie „Buch“. Das ist schlau, denn so kann man sich in einem Kontext schneller orientieren. Das heißt aber auch, dass die Bedeutung von Bildern – das ist für das Rauchen sehr gut belegt – für die Ausbildung von sozialen Normen, die das ganze weitere Leben beeinflussen, bei Kindern unterschätzt wird.

Es gibt immer noch viele Menschen, und die Zahlen sind kaum gesunken, die das Rauchen mit netten und schönen Menschen verbinden. Das gilt genauso bei der Ernährung oder beim Alkohol. Man kann Jugendlichen lange erklären, dass das Rauchen ungesund ist. Sobald sie damit bestimmte attraktive Menschen in Verbindung bringen, sind alle Argumente umsonst.

Psychisches Leid aufgrund anziehender Bilder

Dann weiß ich zwar, dies oder das ist schädlich, aber die Bilder sind so anziehend. Unser Gehirn stellt Verknüpfungen aus vielen positiven Dingen her. Und damit sind wir bei den Algorithmen, denen wir ohne Unterlass ausgesetzt sind. Leider gilt dies auch für die Verknüpfung von vielen negativen Dingen und Inhalten, die zu Angststörungen führen können, und uns in immer mehr Konsum ähnlicher Inhalte hineinzieht.

Weshalb glauben 60-70% der normal gewichtigen Frauen, sie wären zu dick? U.a. weil sie ständig mit Bildern schlanker Menschen bombardiert werden. Und was man permanent sieht, wird zur Norm. Das gilt für alles, nicht nur das Gewicht.

Anzeichen für Bildschirmsucht

Zu Online-Sucht, Fernsehsucht, Zocken und Handy-Abhängigkeit bekomme ich viele Fragen. Eine der häufigsten ist:  Wie viele Stunden vor dem Bildschirm sind noch in Ordnung? Leider gibt es hierauf keine Antwort, denn dies ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Manche Menschen sitzen viele Stunden vor dem Computer, ohne spürbare negative Effekte. Andere verbringen viel weniger Zeit vor dem Bildschirm, und doch macht sie dies süchtig und irgendwann auch ihr Leben kaputt.

Deshalb beobachte dich selbst. Hier ein paar typische Anzeichen für (beginnende) Bildschirmsucht:

  • Stress mit der Familie oder dem Umfeld wegen des Rechners oder Handys
  • Aufschieberitis mit Hilfe des Bildschirms
  • immer weniger soziale Kontakte, weil du weiterschauen willst
  • äußere und körperliche Aktivitäten werden weniger
  • Du sagst Termine ab, um weiter z.B. spielen zu können
  • Hausarbeiten bleiben liegen oder Du lässt das Studium schleifen
  • „Nur noch schnell eine Stunden“ ist ein immer häufigerer Gedanke von Dir (aber dann ist plötzlich der ganze Abend um)
  • Du benutzt Ausreden oder lügst, nur um weiter am Gerät bleiben zu können
  • sobald es aus ist, langweilst Du dich sehr schnell
  • Du bist öfters antriebslos oder fühlst dich depressiv.

Soll ich auf Digitales vorübergehend komplett verzichten?

Manche meiner Klienten entscheiden sich dafür. Und machen damit gute Erfahrungen und viele interessante Beobachtungen ihrer selbst. Aber das ist nicht für jede Person das Mittel der Wahl. Denn es geht nicht nur darum etwas loszuwerden. Vielmehr geht es darum etwas wiederzufinden oder neu zu entdecken.

Was ist dir offline wichtig? Wenn das Gerät aus ist, willst du ja nicht nur rumsitzen und dich langweilen. Was hast du in der letzten Zeit vernachlässigt:  Deine Freunde, deine Hobbies, Sport oder andere Aktivitäten? Was hat dir früher Spaß gemacht? Welche Ziele hattest du? Vielleicht eine Beziehung finden, mehr ausgehen, eine Ausbildung machen, in einer Fertigkeit besser werden durch Beschäftigung oder Training?

Hol dir Kontrolle zurück und entscheide dich bewusst

Hierfür unterstützen dich folgende Vorgehensweisen:

  1. Hol dir etwas Zusätzliches oder Neues in dein Leben
  2. Sag anderen, dass du versuchst, deine Online-Aktivitäten zu reduzieren
  3. Gib dir feste Regeln wie: am Tag bin ich aktiv, in der Nacht schlafe ich
  4. Internet-Konsum nur noch bis X-Uhr
  5. Schaffe dir Rituale wie z.B. bei deinen Mahlzeiten, deinen Schlafzeiten u.v.m.

Suche die Ursachen und geh sie an

Hinter einer Bildschirmsucht steckt meistens etwas anderes. Vielleicht bist du überfordert, oder du bist gerade unterfordert, vielleicht hast du aber auch Lernstress. Steckt ein Beziehungsproblem dahinter? Oder hast du eine ADHS-Diagnose? Stell dir die Frage, warum der Bildschirm für dich so wichtig geworden ist. Füllt er eine Leere oder Langeweile? Wenn du an diese Gewohnheiten herangehst, beginnst du meist dein Leben und deinen Alltag zu sortieren und dich besser zu verstehen.

Lass dich unterstützen

Es ist immer gut, sich über ein Thema mit jemandem auszutauschen, der sich damit auskennt.  Manchmal genügt es, in einer Stunde einfach mal die Lage zu klären.  Auch kann es helfen, in einem geschützten Raum einmal das Herz ausschütten zu können und nächste Schritte zu besprechen. Oder du gehst über eine selbst bestimmte Zeit in Beratung und lässt dir Gutes tun. Gerne unterstütze ich dich und öffne Dir meinen ganzen Handwerkskoffer, um Deinen Weg wiederzufinden.